Die letzte Chance

Corona hat die ganze Welt in einen Ausnahmezustand versetzt. In Anbetracht der Opferzahlen klingt es womöglich etwas makaber, aber diese Pandemie bringt auch eine einmalige Chance mit sich.

Ein verlassenes Schlachthaus. © Erik Mclean über Unsplash

Und zwar nicht die Chance darauf, endlich das ganze Haus nach Marie Kondo aufzuräumen oder sich mit frischen Smoothies und täglichen Yoga-Sessions in sein bestes Selbst zu verwandeln. Aber die einmalige Chance, endlich die Menschlichkeit unter Beweis zu stellen, die uns angeblich von Maschinen unterscheiden soll. Denn die Corona-bedingte Schließung des größten deutschen Schlachtbetriebs Tönnies und das Bekanntwerden der widerlichen Arbeitsumstände darf keinesfalls nur einen kurzen Stopp dieser Industrie bedeuten, in der nach Genesung der Arbeiter einfach wieder der Play-Button gedrückt und weitergemacht wird wie bisher. Wenn die Mitarbeiter schon so behandelt werden, wie sieht es dann erst mit den Tieren aus?

1 Euro für ein Leben: Wo ist da die Moral?

In einem Videobeitrag der Tagesschau vom 15. Juli auf Instagram, spricht ein Ferkelzüchter über den „Stau im Stall“, den die Schlachthof-Schließung verursacht. Darüber, dass die Schweine zu fett würden und dann weniger Geld brächten. Er würde bei einem Transporter mit 170 Tieren mitunter 10.000 Euro Verlust machen. Mitleid kann ich an dieser Stelle beim besten Willen nicht empfinden – jedenfalls nicht für den Züchter. 170 Tiere in einem Transporter ist eine Vorstellung, die nicht gerade auf menschliche Moral und Empathie schließen lässt. Ebenso wenig wie 1 Euro für ein Leben – der oftmals gezahlte symbolische Preis für ein Kalb. Oder die Verlängerung der Erlaubnis für die Kastenstandhaltung. Oder das Kükenschreddern. Oder, oder, oder. Es gibt etliche Beispiele dafür, wieso man annehmen könnte, dass unsere menschlichen Werte schon knapp hinter unserer eigenen Spezies enden. Tierschutz, was ist das?

Größe und Fortschritt beweisen

Doch dann sehe ich eine ARTE-Doku. Eine Forscherin hat sich jahrelang mit dem Mitgefühl von Ratten beschäftigt und herausgefunden, dass sie die Rettung eines Artgenossen stets über die Futterbeschaffung stellen. „Ich frage mich, welchen Beweis die Menschen noch brauchen, um zu verstehen, dass wir nichts anderes als Ratten mit einem größeren Gehirn sind“, sagt sie. Oder Schweine, Kälber, Hühner. Mahatma Gandhi hat einmal gesagt: „Die Größe und den moralischen Fortschritt einer Nation kann man daran messen, wie sie ihre Tiere behandeln.“ Und nun haben wir die einmalige Chance, unsere Größe und unseren moralischen Fortschritt unter Beweis zu stellen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert